Technik des BMW 600
Wie die Isetta hat auch der BMW 600 einen verschweißten Rohrrahmen als Fahrgestell, auf dem die Karosserie aufgesetzt ist. Das Fahrwerksvorderteil ist analog zur Isetta aufgebaut, jedoch in den Abmessungen verstärkt, und man verwendete für die Vorderachse teilweise Nadellager anstelle von Gleitlagern.
Die beiden Achsschenkelkörper aus Aluminium sind beim BMW 600 oben geschlossen und dadurch steifer, während sie bei der Isetta oben offen sind.
Trotz allem stellt die Schwingarmkonstruktion des BMW 600 auch heute noch das empfindlichste Teil des Autos dar. Anstatt Reifen der Größe 4.80-10 kam beim BMW 600 die Größe 5.20-10 zur Verwendung. Heute kann man auch problemlos Gürtelreifen 145 R 10 fahren.
Auf den ersten Blick nicht ersichtlich ist eine entscheidende Änderung an der Windschutzscheibe beim BMW 600 im Vergleich zur Isetta. Beim BMW 600 ist sie im unteren Bereich nicht gewölbt, sondern horizontal, was eine bedeutend bessere Sicht aus dem Fahrzeug heraus ergibt.
Da beim BMW 600 lediglich an den vier Ecken Dachsäulen vorhanden sind, hat man rundherum eine optimale Sicht. Links befinden sich zwei verschiebbare Seitenfenster, auf der rechten Seite ist nur die Scheibe beim Beifahrer zu öffnen. Die Scheibe der rechten Seitentür steht fest.
Die Karosserie wurde aus Blechen der Stärke 0,88 mm gepresst, auch zu damaliger Zeit das stärkste im Automobilbau verwendete Blech. Auf den ersten Blick nicht erkennbar ist die strömungsgünstige Form der Karosserie. Die Karosserieform des BMW 600 brachte den Vorteil hoch stehender Scheinwerfer, die mit asymmetrischem Abblendlicht versehen sind. Der Abstand zwischen Fahrer und Scheinwerfer beträgt ca. 75 cm. Die Fahrer des BMW 600 wissen diese Tatsache besonders bei Nebelfahrten zu schätzen, denn die weiße Wand des Nebels ist bedeutend geringer ausgeprägt als bei konventionell gestalteten Karosserien.
Ein weiterer Vorteil der Fronttüranordnung ist die optimale Raumausnutzung. Auch hier hat sich BMW etwas einfallen lassen: Man sprach vom „fahrenden Raum“, und ein Blick auf die zeitgenössischen Fotos mit dem gläsernen BMW 600 macht uns den Begriff richtig deutlich.
Der BMW 600 ist ein echter Viersitzer, auch vier erwachsene Personen haben ausreichend Platz. Fast die gesamte Länge des Fahrzeugs und die gesamte Breite sind für den Innenraum nutzbar. In einer anderen Werbekampagne nutzte BMW den Slogan „Innen größer als außen“, der knapp 30 Jahre zuvor schon für den ersten BMW-Kleinwagen 3/15 PS, genannt Dixi, verwendet worden war. Wie man sieht, sind beide Fahrzeuge ähnlich kompakt gebaut:
Folgerichtig meinte der Motorjournalist Dr. Paul Simsa damals in einem Test des BMW 600: „Man hätte ihn Dixi nennen sollen - sofern das kein Sakrileg ist.“
Im Heck des BMW 600 arbeitet der 600er Boxermotor. Aufgrund seiner Drosselung auf 19,5 PS erhielt man eine ausgesprochen günstige Motorcharakteristik. Sein maximales Drehmoment von 40 Nm gibt der Motor bereits bei 2.800 U/min ab, im Bereich von 1.000 - 4.700 U/min bleibt das Drehmoment über 30 Nm. Die Maschine ist also sehr elastisch ausgelegt. Die Bohrung beträgt 74 mm und der Hub 68 mm. Es handelt sich somit um einen Kurzhuber. Der kurze Hub führt im Verein mit der relativ geringen Nenndrehzahl zu einer sehr niedrigen Kolbengeschwindigkeit. Bei 4.500 U/min, der Höchstleistungsdrehzahl, beträgt die mittlere Kolbengeschwindigkeit nur 10,2 m/sec, was geringem Verschleiß und hoher Lebensdauer zuträglich ist. Auch die Verdichtung liegt mit 6,8 niedrig, was die Verwendung von Normalbenzin erlaubt und den Motor auch beim Hochbeschleunigen aus niedrigen Drehzahlen nicht klopfen oder klingeln lässt.
Der Zweizylinder-Boxermotor mit versetzten Zylinderachsen hat eine zweifach gelagerte, aus Einzelteilen zusammengepresste Kurbelwelle, die in Rillenkugellagern läuft. Die beiden Zylinderköpfe bestehen aus Leichtmetall; sie haben einen halbkugelförmigem Verbrennungsraum. Die Nockenwelle liegt über der Kurbelwelle und wird über schrägverzahnte Zahnräder angetrieben. Das Kurbelgehäuse ist unten als Ölwanne ausgebildet. Eine Zahnradpumpe fördert das Motorenöl durch einen auswechselbaren Hauptstromfilter und von dort zu den Schmierstellen. Wie im BMW-Motorradmotor ist die Füllmenge auf zwei Liter begrenzt. Dies hat zwei Konsequenzen, die nicht zu vernachlässigen sind:
1. Bei hoher Dauerbelastung erreicht das Motoröl relativ hohe Temperaturen von bis zu 130 °C, wodurch es schneller altert. Häufige Ölwechsel sind daher empfehlenswert.
2. Da bei Motoren aus dieser Zeit, insbesondere bei luftgekühlten, mit einem Ölverbrauch von bis zu einem Liter je 1000 km gerechnet werden muss, ist es ratsam, bei jedem Tanken den Motorölstand zu prüfen.
Aufgrund dieser Kurzbeschreibung kann man erkennen, dass es sich um eine robuste Maschine handelt. Auch heute noch „blubbert“ dieser Motor ruhig und vertrauenerweckend, und das auch bei Tempo 100. Das Getriebe ist in allen Gängen vollsynchronisiert, den ersten Gang benötigt man allerdings nur zum Anfahren oder bei extremen Steigungen und vollbesetztem Fahrzeug.
Alternativ zum Schaltgetriebe gab es, wie für viele andere deutsche Autos dieser Zeit, den SAXOMAT von Fichtel & Sachs. Dabei handelt es sich um eine elektropneumatisch betätigte Kupplung, die zum Anfahren über eine Fliehkraftkupplung verfügte. Dadurch konnte das Kupplungspedal entfallen. Die Schaltvorgänge wurden durch den Fahrer mittels Gaspedal und Schalthebel kontrolliert. Berührte der Fahrer den Schalthebel, so wurde ausgekuppelt und man konnte schalten. Da die Einstellung schwierig und die Störanfälligkeit hoch waren, war der SAXOMAT nicht sehr beliebt, so dass viele Fahrer ihren BMW 600 wieder auf die normale Schaltung zurückrüsten ließen.
Das Fahrwerk besteht aus einer der Isetta-Konstruktion ähnlichen Vorderachse, die Hinterräder weisen eine nur 60 mm geringere Spurweite auf als die Vorderräder.
Die Radführung hinten erfolgt durch Dreiecks-Längslenker. Diese Konstruktion war der Urahn aller modernen BMW-Fahrwerke; sie wird in ähnlicher Form auch heute noch bei BMW verwendet. Die zahlreichen Sporterfolge, vor allem bei Zuverlässigkeitsfahrten, sind der Beweis für die hohe Güte der Fahrwerkskonstruktion und für die Haltbarkeit der Mechanik.
Auch die Federung wurde gegenüber der Isetta verbessert, vorne beträgt der Federweg 120 mm und hinten 160 mm. Aufgrund des kurzen Radstands von nur 1700 mm neigt der BMW 600 beim Überfahren von Querfugen auf betonierten Autobahnen zu Nickschwingungen.
Besonders hervorzuheben ist die Innenausstattung. Einem Umsteiger von der Isetta auf einen BMW 600 fällt dies natürlich besonders auf. Aber auch wer heute von einem modernen Kleinwagen auf den BMW 600 umsteigt, wird verblüfft sein.
Beim Einsteigen fallen zuerst die körpergerecht geformten Sitze auf. Die Sitzbreite ist vorne mit 108 cm und hinten mit 104 cm ausreichend, das enge Sitzen wie bei der Isetta ist nicht mehr notwendig, obwohl für Verliebte dank der durchgehenden Sitzbank weiterhin problemlos möglich.
Die Sitzlehnen sind sesselartig gerundet, so dass ein Rutschen in Kurven entfällt. Der Neigungswinkel der Sitzlehnen ist fest und nicht einstellbar. Dafür lässt sich die komplette vordere Sitzbank verschieben, allerdings nicht während der Fahrt.
Bei einer Sitzbreite von 108 cm beträgt die Ellenbogenfreiheit stolze 119 cm. Wie das? Links und rechts sind in der Seitenverkleidung Ablagefächer eingebaut, die mit Armlehnen versehen sind. Als weitere größere Ablagemöglichkeit für Gepäck befindet sich hinter dem Rücksitz ein Gepäckraum, in dem man zwei normale Koffer unterbringen kann. Die Rücklehne ist klappbar, so dass man auch diesen Raum enorm vergrößern kann. Relativ schnell kann man auch die hintere Sitzbank herausnehmen, so dass hier dann ein sehr großer Gepäckraum entsteht.
Um den BMW 600 als Kleintransporter nutzen zu können, gab es gegen 110 DM Aufpreis einzelne Vordersitze, so dass durch Herausnehmen der Rücksitzbank und des rechten vorderen Sitzes sperriges Gut transportiert werden konnte.
Im Gegensatz zur Isetta gab es den BMW 600 mit Schiebedach nur gegen einen Aufpreis von 250 DM. Serienmäßig dagegen war die Heizung, von der überzeugte BMW 600 - Fahrer sagen, dass die Heizungen des VW-Käfers und des VW-Busses sich hiervon eine Scheibe abschneiden können. Links an der Seitenwand befindet sich die Defrosterdüse für die Frontscheibe, aber auch die Füße werden gut versorgt. Mit kleinen Klappen an den Düsen kann man die gewünschte Einstellung erreichen. Auch im hinteren Fußraum befindet sich eine Warmluftaustrittsöffnung. Das Armaturenbrett verfügt neben dem großen, gut ablesbaren Tachometer auch über Kontrollampen für Lichtmaschine und für den Blinker, der übrigens mit einer automatischen Rückstellung ausgestattet ist. Der Benzinhahn lässt sich ohne Verrenkungen wie bei der Isetta über einen Drahtzug betätigen. Das Reserverad wurde platzsparend hinter der Verkleidung der Fronttür untergebracht. Die Batterie befindet sich unter dem Rücksitz.
Wie bei allen Autos gab es auch für den BMW 600 ausreichendes Zubehör. Ab Werk konnte man mitbestellen:
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Zigarrenanzünder
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Fondaschenbecher
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Bodenmatten
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Spritzschutz für die Vorderräder
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abschließbare Motorklappe
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verschließbarer Tankdeckel
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elektromagnetischer Benzinhahn
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Nebelscheinwerfer
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Rückfahrscheinwerfer
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Sonnenblende rechts
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Radzierblenden
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Windabweiser für Seitenfenster
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Gepäckträger
Zusätzlich konnte man natürlich im Handel diverses Zubehör bis hin zum Wohnwagen kaufen.
Der BMW 600 war ein gelungener Kleinwagen. Leider kam er zu einer Zeit, als die 600er Klasse zwar aufstieg, aber auch sehr schnell wieder der größeren Klasse um 1200 cm3 weichen mußte. Obwohl das Auto einige Schwachstellen hatte (Vorderachse, Karosserieabdichtung), wurde und wird es gerne gefahren. Neben seiner unerreichten Raumökonomie sind seine besonderen Stärken das sorgfältig durchkonstruierte Fahrwerk und der exzellente Motor.